Fußverkehrs-Check im Format „Stadt wahrnehmen!“ in Berlin
Foto: Bernd Herzog-Schlagk, FUSS e.V.

Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Check-Listen, die als Hilfestellungen für die Einschätzung von Mängeln und positiven Beispielen im Rahmen von Fußverkehrs-Checks hilfreich sein könnten. Die Berücksichtigung der entsprechenden Fragestellungen hängt natürlich sehr stark von den Zielvorstellungen und den Schwerpunktsetzungen ab. Was bei einem Fußverkehrs-Check in eine hohe Priorität gesetzt wird, kann bei einem anderen Check nur von geringer Bedeutung sein. Andererseits wirken sich die konkreten Fragestellungen natürlich ganz direkt auf die Antworten aus. Sie sollten sich also bereits vor dem Fußverkehrs-Check Gedanken darüber machen. Im Folgenden werden vier dieser Check-Listen kurz vor- und für Ihre geplanten Aktivitäten zur Verfügung gestellt:

Wir empfehlen Ihnen, diese Check-Listen als Hilfestellung anzusehen und sie nicht Punkt für Punkt abzuarbeiten.

Checkliste zur Bewertung von Qualitäten des öffentlichen Raumes

Aufgrund jahrzehntelanger Erfahrung mit Checks in zahlreichen Städten auf der Welt (allerdings kaum in Deutschland) haben Jan Gehl und das Büro Gehl Architects Kopenhagen (Dänemark) aus 43 Aspekten (1) 12 übergreifende Kriterien zusammengestellt. Der große Vorteil dieser in drei Kategorien eingeteilten Qualitätskriterien ist es, dass die Begriffe stets von menschlichen Bedürfnissen ausgehen:

1. Schutz

  • Schutz vor motorisiertem Verkehr (Unfall- und Angstvermeidung, Übersichtlichkeit, etc.)
  • Schutz vor Verbrechen und Gewalt (Beleuchtung, lebendige Umgebung, etc.)
  • Schutz vor unangenehmen Sinneseindrücken (Witterung, Staub, Abgase, Licht, Lärm, etc.)

2. Behaglichkeit

  • Gehen (Platz, Barriefreiheit, gute Oberflächen, etc.)
  • Aufenthalt (attraktive Randzonen, anlehnen, etc.)
  • Sitzen (Anzahl, Beobachtungen, Ausruhen, etc.)
  • Sehen (überblickbare Distanzen, Sichtachsen, Ausblicke, Beleuchtung, etc.)
  • Sprechen und Hören (tiefer Geräuschpegel, kommunikative Anordnung von Sitzgelegenheiten, etc.)
  • Spielen und Bewegen (Sport und Unterhaltung, jederzeit)

3. Genuss

  • menschlicher Maßstab (Dimensionen von Gebäuden und Räumen, etc.)
  • angenehme Umwelteinflüsse (Sonne und Schatten, optimale Wärme, leichter Wind, etc.) und
  • positives Sinneserlebnis (Materialien und Details, Wasser, Vegetation, Ausblicke, etc.)(2)

Diese 12 Kriterien sind eine sehr gute Leitlinie, um die Anliegen und Bedürfnisse aus der Sicht der Zu-Fuß-Gehenden deutlich zu machen. Wenn Sie also einen Fußverkehrs-Check „freihändig“ ohne Check-Liste oder mit einer selbst erstellten Check-Liste durchführen möchten, bieten die Kriterien einen brauchbaren Hintergrund. Sie werden als „Fragebogen“ für Fußverkehrs-Checks allerdings nicht ausreichend sein, wenn es darum geht, konkrete Mängel in der Infrastruktur zu erkennen.

Der Schwerpunkt der genannten Stichworte liegt eindeutig auf dem Aufenthalt im öffentlichen Raum (Stehen, Sitzen, Spielen, Bewegen) und weniger auf der zielgerichteten Erledigung von Alltagswegen.(3) So ist z.B. das „Sitzen“ als eines der Hauptkriterien aufgenommen worden; die Schwierigkeiten Fahrbahnen zu überwinden, sind dagegen nicht direkt erwähnt und wohl unter Verkehrssicherheit einzuordnen. Durch diese Ausrichtung fehlt z.B. auch die Verknüpfung des Fußverkehrs mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Auch gehen die Konflikte mit den anderen Verkehrsarten ein wenig unter. Darüber hinaus, und das war bei einer solchen Strukturierung wohl kaum zu vermeiden, gibt es in der Zusammenstellung sehr viele thematische Überschneidungen und Doppelungen. Bei einem Vorgehen anhand einer Check-Liste macht das dann vor Ort schwierige Zuordnungen erforderlich.

Walkability-Checkliste

 

Studentinnen und Studenten der Universität Dortmund bei der Vorstellung eines ersten Walkability-Checks in der Stadtmitte Marl
Foto: Bernd Herzog-Schlagk, FUSS e.V.

„Walkability“ ist der gängige Begriff für die Bewegungsförderung durch Gehen im Alltag.(4) Insofern liegt der Schwerpunkt der hier vorgestellten Check-Liste des Karlsruher Instituts für Technologie auf der Gehfreundlichkeit im Wohnumfeld und in der Nachbarschaft. Die 29 Fragestellungen wurden in folgende vier Kategorien gegliedert:

  • Fußgängerfreundlichkeit
  • Komfort
  • Sicherheit sowie
  • Zweckmäßigkeit und Vernetzung (5)

Die Fragen sollen mit „JA“ oder „NEIN“ beantwortet werden.(6) Sie sind teilweise recht allgemein gehalten, z.B. zur Fußgängerfreundlichkeit: „Sind die Gehwege frei von Behinderungen, wie z.B. Vegetation, Straßenschildern, parkenden Autos?“ Dies ermöglicht eine positive oder negative Einschätzung eines Straßenabschnittes, nicht aber eine konkrete Aussage über das Problem im Rahmen der Auswertung und somit auch nicht die Möglichkeit, konkrete Verbesserungen vorschlagen zu können. Weiterhin wird z.B. unter „Sicherheit“ abgefragt: „Gibt es ausreichend Fußgängerampeln und Zebrastreifen, besonders in der Nähe von Schulen, Altenheimen, Geschäften?“ Die Anzahl ist, abgesehen von der fehlenden Qualifizierung (was ist „ausreichend“?)(7), leider nicht ausreichend zur Klärung der Verkehrssicherheit, denn diese Querungsanlagen bündeln in der Regel Verkehrsunfälle. Um Unfälle zu vermeiden, kommt es sehr genau darauf an, wie diese Anlagen in das Wegenetz integriert, eingerichtet und, bei Ampeln, geschaltet sind.(8)

Insgesamt ist die Liste für eine erste Situationseinschätzung geeignet, also um ein Gefühl für Straßenabschnitte, Plätze und Querungsanlagen zu bekommen. Sie geht aber nicht ausreichend ins Detail, um damit wirklich argumentieren und Folgerungen ableiten zu können.

Checklisten Sicherheitsaudit von Straßen

Für Sicherheitsaudits gibt es in den Regelwerken als anerkannten „Stand der Technik“ Check-Listen für verschiedene Straßenkategorien (Autobahnen, Landstraßen, Hauptverkehrsstraßen und Erschließungsstraßen), die eigentlich nur für den Neu-, Um- und Ausbau vorgesehen sind, aber auch für die Begutachtung von Straßenzügen im Bestand hilfreich sein können.(9) Sie sind ausgerichtet auf die Schwerpunktsetzung zur Verbesserung der Verkehrssicherheit (10) und insbesondere bei der Umsetzung des entsprechenden Formats (11) sinnvoll einzusetzen.

Die Herausforderungen für den Einsatz in der Praxis sind ihre Vielfältigkeit (vier Straßentypen mal vier Planungszustände gleich 16 Listen), die Einbeziehung der vier Hauptverkehrsarten (Fuß, Rad, ÖV und MIV) sowie ihre unübersichtliche Gliederung und die daraus resultierenden Doppelungen.(12) Deshalb werden in der Anlage Check-Liste für das Verkehrssicherheits-Audit von Straßen (PDF) die wesentlichen fußverkehrsrelevanten Fragestellungen nur für Hauptverkehrsstraßen beispielhaft herausgestellt.

Die Check-Listen beinhalten sehr viele Hinweise zur Infrastruktur für den Fußverkehr oder mit ihm in Zusammenhang stehende Aspekte. Nicht zu übersehen ist, dass es die einzige Check-Liste ist, die in Deutschland zum „Stand der Technik“ gehört und damit auch leichter in Fachkreisen zitierfähig ist, wenn es um die Umsetzung von Maßnahmen geht.(13) Diese Chance sollte genutzt werden, ohne dabei zu vergessen, dass es sich doch um eine recht einseitige Ausrichtung der Fragestellungen auf die Verkehrssicherheit handelt.

Check-Liste Mobilität zu Fuß

Im Rahmen des Projektes „Handlungsleitfaden für Fußverkehrsstrategien FVS“ (14) des Fachverbandes Fußverkehr Deutschland FUSS e.V. wurden zahlreiche Befragungen und Interviews (15), Workshops und Fußverkehrs-Checks (16) mit der Fragestellung durchgeführt, welche Aspekte nach Auffassung der Beteiligten in einem Konzept zur systematischen / strategischen Förderung des Fußverkehrs enthalten sein sollten. Die Antworten und Erfahrungen wurden in einer Liste erfasst und durch einige weitere Aspekte aus der Literatur und anderen Check-Listen (z.B. die hier aufgeführten) erweitert. Entstanden ist damit eine recht umfangreiche Check-Liste mit der Zielsetzung, Verbesserungen in folgenden sechs Bereichen und kommunalen Querschnittsaufgaben zu erreichen:

  1. Lebendigkeit und soziale Sicherheit,
  2. Gesundheit und Bewegung,
  3. Verkehrssicherheit,
  4. Barrierefreiheit und Komfort,
  5. Umweltbedingungen und
  6. Attraktivität als Wohn- und Wirtschaftsstandort.

In der Check-Liste werden die folgenden sechs Bausteine für eine begehbare Stadt dargestellt:

  1. Aufenthaltsqualität und Stadtbildaufwertung
  2. Gehwege und Plätze
  3. Querungsanlagen
  4. Wegenetz-Struktur
  5. Vernetzung mit den anderen Mobilitätsarten
  6. Mobilitätskultur und Bewusstseinsbildung

Vorteil der Check-Liste: Mobilität zu Fuß ist ihr breites Themenspektrum, von der reinen Verkehrsplanung bis zur „Schönheit“ der Stadt. Es geht um die Wahrnehmung (17) des öffentlichen Raumes aus der Perspektive der Fußgängerinnen und Fußgänger, also um fehlende Gehwegabsenkungen ebenso wie um ein unattraktives Stadtbild mit verschlossenen Fassaden. Diese Vielfalt war nur dreistufig zu gliedern und deshalb wurden die sechs Bausteine noch einmal in Bereiche und teilweise in einer dritten Stufe mit detaillierteren Aspekten angereichert.(18)

Quellen und Anmerkungen

  1. siehe Jan Gehl / Birgitte Svarre: Leben in Städten – Wie man den öffentlichen Raum untersucht, edition: `AngewAndte, Birkhäuser Verlag GmbH, Basel 2016, Seite 197: „Urban Design – A List Of Key Words“ in englisch
  2. „12 Qualitätskriterien für öffentliche Räume – nach Jan Gehl“ finden Sie in einer deutschen Übersetzung, zuletzt aufgerufen am 12.12.2017
  3. Siehe Ziele > Haben Sie bereits thematische Schwerpunkte ins Auge gefasst? > h)Stadtraumgestaltung
  4. Jens Bucksch, Sven Schneider (Hrsg.): Walkability – Das Handbuch zur Bewegungsförderung in der Kommune, Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern 2014
  5. Das Institut für Sport und Sportwissenschaft des Karlsruher Instituts für Technologie KIT entwickelte 2017 diese Prüfliste auf Basis der „Neighbourhood Walkability Checklist” der Heart Foundation, Australien, sowie der „Walkability Checklist“ der Safe Routes, National Center for Safe Routes to School, Pedestrian and Bicycle Information Center, U.S. Department of Transportation, Environmental Protection Agency, U.S. und der „Prüfliste für Fußgängerfreundlichkeit“ des Instituts für Stadtplanung und Städtebau der Universität Duisburg-Essen. Hier finden Sie die Prüfliste, zuletzt aufgerufen am 17.12.2017
  6. Bei Unsicherheiten oder wenn die Frage für den gegangenen Abschnitt nicht relevant ist, soll eine Lücke gelassen werden. Da zum Schluss nur die positiven Antworten zusammengezählt und bewertet werden, werden diese Lücken als „Nein“ eingestuft. Dies ist bei der Auswertung eine unschöne Fehlerquote.
  7. In der wissenschaftlichen Literatur geht man wegen der Umwegempfindlichkeit von 100 bis maximal 150 Metern zwischen den Querungsanlagen aus, siehe z.B. D. Apel, E. Brandt: Stadtverkehrsplanung, Teil 2. Stadtstraßen, Umweltanforderungen und Straßengestaltung. Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.), Berlin 1982, vgl. www.geh-recht.de > Querungsanlagen
  8. Fachverband Fußverkehr Deutschland FUSS e.V. (Hrsg.), Ekkehard Westphal, Arndt Schwab, Sylke Petry: Querbuch – Wie Fußgänger am besten über die Straße kommen, Berlin 2015
  9. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen FGSV (Hrsg.): Empfehlungen für das Sicherheitsaudit von Straßen ESAS (R 2), Ausgabe 2002, 1.3 und Anhang 2 Checklisten
  10. siehe Ziele > Haben Sie bereits thematische Schwerpunkte ins Auge gefasst? > b)Verkehrssicherheit
  11. siehe Formate > Sicherheitsaudit von Straßen
  12. Die Unübersichtlichkeit wurde noch dadurch erhöht, indem für die vier Schritte 1.Vorplanung, 2. Vorentwurf, 3. Ausführungsentwurf und 4. Verkehrsfreigabe nicht die gleiche Untergliederung gewählt wurde.
  13. Deshalb wurden in der Anlage zur einfacheren Nachvollziehbarkeit die jeweiligen Checklisten-Nummern und die Nummern der Unterpunkte in Klammern hinzugefügt.
  14. vgl. www.fussverkehrsstrategie.de
  15. siehe www.fussverkehrsstrategie.de > Umfragen-Interviews
  16. siehe www.fussverkehrsstrategie.de > Modellstädte, in den jeweiligen Städten unter 1. und 2. Fußverkehrscheck bzw. 1. Und 2. Workshop
  17. zum Begriff der „Wahrnehmung“ siehe Ziele > Welches sind die zentralen Ziele aller Fußverkehrs-Checks?
  18. Dennoch waren Überschneidungen und Zuordnungsschwierigkeiten nicht gänzlich auszuschließen.